Forschungsseminar am Institut für Kulturwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin im Wintersemester 2017/2018
Zwischen 1933 und 1943 konnten etwa 100.000 zentraleuropäische, deutschsprachige Juden und Jüdinnen ihr Leben auf den Subkontinent retten. Diese Migration hat einen starken Eindruck hinterlassen, nicht nur auf das jüdische Leben im Allgemeinen, sondern auch auf die lateinamerikanische Gesellschaft.
Drei Gruppen waren dabei besonders einflussreich: Psychoanalytiker_innen, Künstler_innen und nicht zuletzt Rabbiner sowie Kantoren. Das Projektseminar eröffnete einen Einblick in die deutsch-jüdischen Erfahrungen in Lateinamerika: vom Heine-Club der Exilierten in Mexiko über die „argentinische“ Geschichte der Frankfurter Schule bishin zu der Geschichte der deutsch-jüdischen Presse und anderer kultureller Übersetzungen (wie bspw. die Gründung der lateinamerikanischen psychoanalytischen Gesellschaft sowie Marie Langers Kritik an der Freudschen Weiblichkeitstheorie). Oft haben Exilierte und Vertriebene, Reisende und Abenteurer_innen in der Emigration Neues hervorgebracht und nicht nur ihr eigenes Leben, sondern bedeutende Quellen und Dokumente der „europäischen“ Kultur gerettet, die unter dem NS- Totalitarismus nicht überlebt hätten.
In Verbindung mit dem Prozess der „Europäisierung“ oder Ökonomisierung Lateinamerikas, der patriarchalen Dominanz männlicher Protagonisten in Gesellschaft und Geschichtsschreibung, aber auch dem Einfluss von Feministinnen und den entstandenen Allianzen im Widerstand gegen NS und Militärdiktaturen, läd die Geschichte der Einwanderung dazu ein, sich dieser aus kritischer, intersektionaler, feministischer, gender- oder postkolonialtheoretischer Perspektive zu nähern.
Nach einer Einführung in die Geschichte dieser Einwanderung und des Kulturtransfers haben die Teilnehmer_innen des Projektseminars gemeinsam an dem Aufbau eines digitalen Archivs gearbeitet, das diese vergessene(n) Geschichte(n) dokumentiert und mit eigens dafür verfassten Texten bekannt machen soll.
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