Remontagen in der deutschen Nachkriegszeit
Brigitta Kuster und Liliana Ruth Feierstein
Link zu AGNES Projektseminar / Colloquium
Dieses Seminar befasst sich mit der re-education als einer nicht zuletzt im Medium Film vollzogenen Kampagne, die sich mit dem von Theodor W. Adorno und Max Horkheimer analysierten autoritären Charakter auseinandersetzte, mit dem Ziel, diesen zu reformieren und neu anzuordnen. Ein besonderes Augenmerk wird dabei im Seminar auf die meist eher implizit mitgeführten genderspezifischen Aspekte dieser Auseinandersetzungen gelegt. Der Neuanordnung der psychischen und sozialen Disposition des deutschen Gesellschaftskörpers entspricht in nachkriegsdeutschen filmischen Auseinandersetzungen über den „decent German“ (Siegfried Kracauer) bis heute eine Beschäftigung mit Spannungen zwischen audiovisuellen medialen Präsenzen und Absenzen, ethischen und edukativen Potentialen einer filmischen Zeugenschaft, dem Scheitern der ontologischen Beweiskraft des Bildes, der Filmgeschichte der Weimarer Republik und der Praxis und Theorie der Re-Montage, um, wie Georges Didi-Huberman schreibt, „die Zeiten (zu) öffnen“.
Ziel: Die Studierenden erarbeiten in Gruppen einen kurzen Video-Essay, der ausgehend von Footage aus dem Seminarkontext die Möglichkeiten und Grenzen des filmischen Mediums in der re-education als Zusammenführung wissenschaftlicher, analytischer, gendertheoretischer und künstlerisch-ästhetischer Aspekte reflektiert und ein audiovisuelles Verständnis einer audiovisuellen Form generiert.
Kulturwissenschaft. Jüdische Perspektiven
Liliana Ruth Feierstein
Link zu AGNES V / Begleitseminar
Der systematische Ausschluss jüdischer Denker_innen und jüdischen Denkens aus den Universitäten in Deutschland, der sich institutionell in Form des Antisemitismusstreits an der Berliner Universität (1879–1881) manifestierte, hat sich gewissermaßen durch die Ironie der Geschichte in einen Segen verwandelt. Da man nicht für die nationale Mehrheit „taugte“ und marginalisiert war, entstand parallel eine kreative Bewegung alternativen Wissens. Aus dieser gingen einige der bedeutendsten Beiträge der als deutsche Geistesgeschichte gültige Kanon hervor – sowie ein großer Teil des theoretischen Backgrounds des Faches Kulturwissenschaft.
Diese Geschichte der Kulturwissenschaft ist eine der Grenzgängerin, des Marginalen, der Spuren, der Ausnahmen und Details, der Indizien und Mikrogeschichte. Auch des anderen Denkens, der Isolation, der Verbrennung und des Exils, des Zuhörens des Echos der Vergangenheit sowie des elliptischen Verstehens von etwas, das nicht da, aber trotzdem spürbar ist.
Die Vorlesung wird Klassiker_innen der Kulturwissenschaft (u.a. Sigmund Freud, Georg Simmel, Aby Warburg, Walter Benjamin, Vilém Flusser, Hannah Arendt) in Hinblick auf „ihr“ Judentum, ihre Biographien und ihr Denken deuten – um dadurch einen erinnernden und unerwarteten Blick auf das Fach vorzuschlagen.
Die Sprache der Menschenrechte – Über Chancen und Herausforderungen universeller Moralpolitik
Lutz Fiedler
Die Idee der Menschenrechte hat eine lange Tradition. Doch im Unterschied zu ihrem abstrakten Charakter, der auf universelle Geltung zielt, ist sie immer in konkreten historischen Situationen formuliert worden. Es sind diese unterschiedlichen Konstellationen der Anrufung und Proklamation von Menschenrechten, denen wir uns im Seminar zuwenden wollen, um dadurch zugleich einen Einblick in die „Paradoxien“ wie „Aporien der Menschenrechte“ (Hannah Arendt) zu gewinnen. Verschiedene methodische Fragen werden uns im Laufe des Seminares begleiten: In welchen historischen Augenblicken wurde sich auf die abstrakte Idee der Menschenrechte als Versprechen, aber auch zur Durchsetzung politischer Interessen bezogen? Welche historischen Kollektiverfahrungen sind in das Ringen um die Durchsetzung von Menschenrechten eingegangen. In welchem Zusammenhang steht die partikulare Genesis der Menschenrechte einerseits und ihre universelle Geltung andererseits? Auch wenn die moderne Geschichte der Menschenrechte bis ins 18. Jahrhundert zurückreicht, werden wir uns im Seminar vorrangig (wenn auch nicht ausschließlich) auf die zweite Hälfe des 20. Jahrhunderts beschränken.
Übersetzung und Kanon
Viola Beckmann
Seit in den 60er Jahren die Kritik am literarischen Kanon einsetzte, wird immer wieder nach dessen Notwendigkeit und Berechtigung gefragt. Dies auch, weil der Kanon durch seine identitätsstiftende Wirkung gleichzeitig ausgrenzende Effekte nach sich zieht. Im Laufe des Seminars sollen historische und aktuelle Prozesse der Kanonbildung nachvollzogen und diskutiert werden. Dabei wird auch die Funktion von Übersetzungen und Übersetzungstheorien zum Thema und vor diesem Hintergrund gefragt, ob die Idee der Weltliteratur als universalistischer Kanon denkbar ist.
Examenskolloquium
Liliana Ruth Feierstein