Von Bäumen und Beinen. Ökologien jüdischer Heimat
PD Dr. Lena Kugler
Auf die Frage nach seinen Wurzeln soll der Marxist und selbsterklärte „nicht-jüdische Jude“ Isaac Deutscher ungehalten erwidert haben, dass Bäume Wurzeln haben, Juden aber Beine (vgl. Schama 1996). So begründet Deutschers Klarstellung auch sein mag, ist jedoch der moderne jüdische Diskurs von Land und Heimat von einem dichten botanischen Metapherngeflecht durchzogen, in dem Menschen und Pflanzen, insbesondere Bäume, gerade mit Blick auf ihre ‚mobilen‘ Wurzeln als regelrechte Doppelgänger erscheinen. Vor diesem Hintergrund soll es im Seminar in der Auseinandersetzung mit literarischen und nicht-literarischen Texten vor allem um zwei miteinander verschränkte Felder gehen: Zum einen um den jüdischen Diskurs vom europäischen und insbesondere ›deutschen Wald‹, zum anderen um die Entstehungsgeschichte des botanischen Zionismus (vgl. von Suffrin 2019) und die Aufforstungsprojekte des Jüdischen Nationalfonds/Keren Kayemeth LeIsrael. Mit den gleichermaßen symbolisch, imaginär wie auch real wirkmächtigen Bäumen dieser mal als ›Natur‹-, mal als ›Kultur‹-Landschaften gezeichneten Wälder kommt das Wechselverhältnis von Mensch, Baum und Land in seinen politischen, ästhetischen und ökologischen Fassungen und Figurationen in den Blick.
Linientreue Dissidenz und die Wirklichkeit des Möglichen. Zu den Brüchen in der verdrängten Geistesgeschichte der DDR
Caspary, Kristin, B.A. und Zittlau, Lukas , B.A.
Projekttutorium (Link zu Agnes)
Wolfgang Heise (1925-1987) und Jürgen Kuczynski (1904-1997) gehörten zu den renommiertesten Gesellschaftstheoretikern der damaligen DDR. Beiden gemeinsam war ihr stetiges Vorantreiben der marxistischen Gesellschaftstheorie, ihre kritische Haltung zum real existierenden Sozialismus und ihre jüdische Herkunft. Beide sind heute dem institutionalisierten Vergessen anheimgefallen. Das überrascht umso mehr, da beide in der Berliner Wissenschaftslandschaft verwurzelt waren: Kuczynski in der Akademie der Wissenschaften, Heise an der Sektion für Kulturwissenschaften der Humboldt Universität (heute Institut für Kulturwissenschaften). In unserem Projektseminar möchten wir Primär- und Sekundärliteratur zu Heise und Kuczynski sichten und diskutieren, inwieweit die „linientreuen Dissidenten der DDR“ (Kuczynski) heute noch Relevanz für ein zukünftiges wissenschaftliches Denken besitzen – nach dem Motto H. Müllers, man müsse die Toten ausgraben, um sie nach der Zukunft zu befragen, die mit ihnen begraben wurde.