Jüdische Perspektiven
Prof. Dr. Liliana Ruth Feierstein
Vorlesung (Link zu AGNES) / BA-Begleitseminar zur Vorlesung (Link zu AGNES)
Die Geschichte der Kulturwissenschaft ist eine der Grenzgänge, des Marginalen, der Spuren, der Ausnahmen und Details, der Indizien und Mikrogeschichte(n). Auch des anderen Denkens, der Isolation, der Verbrennung und des Exils, des Zuhörens, des Echos der Vergangenheit sowie des elliptischen Verstehens von etwas, das nicht da, aber trotzdem spürbar ist.
Die Vorlesung wird Klassiker der Berliner Kulturwissenschaft sowohl aus dem deutschsprachigen (u.a. Sigmund Freud, Georg Simmel, Karl Mannheim, Aby Warburg, Walter Benjamin, Vilém Flusser, Hannah Arendt) als auch dem französischsprachigen Raum (Émile Durkheim, Marcel Mauss, Emmanuel Lévinas) in Hinblick auf „ihr“ Judentum, ihre Biographien und ihr Denken deuten, um dadurch einen erinnernden und unerwarteten Blick auf das Fach vorzuschlagen.
Begleitend zur Vorlesung werden wir die klassischen Texte der dort vorgestellten Autoren und Autorinnen in einem Begleitseminar gemeinsam lesen und analysieren. Das Seminar ist eine Einladung an all diejenigen, die die Inhalte der Vorlesung vertiefen und aktiv mitgestalten möchten.
Kritik und Ethik. Eine Einführung in die jüdischen Studien und postkolonialen Theorien
Prof. Dr. Liliana Ruth Feierstein
Prof. Dr. María do Mar Castro Varela
Ziel des Seminars, als Dialog konzipiert, ist die Etablierung einer wissenschaftlichen Debattenkultur, die versucht, aktuelle Ereignisse (etwa die Zunahme antisemitischer und rassistischer Vorfälle, die Debatten um die Restitution von kolonialer Raubkunst etc.) über die intensive Auseinandersetzung mit „klassischen Schriften“ zu rahmen und so die Argumentationskompetenz zu stärken und kritische und ethische Praxen herauszuarbeiten.
Es werden ausgewählte Texte der Jüdischen Studien und der Postkolonialen Theorie gelesen, besprochen und diskutiert werden, u.a. Gayatri Chakravorty Spivak, Hermann Cohen, Hannah Arendt, Theodor W. Adorno, Frantz Fanon, Stuart Hall, Chandra Talpade Mohanty und Edward Said. Eine genaue Auswahl wird nach einem intensiven vorbereitenden Treffen getroffen.
Plage und Krankheit – Erkundungen aus den Jüdischen Studien
Prof. Dr. Liliana Ruth Feierstein
Prof. Dr. habil. Christina von Braun
Prof. Dr. Rainer Kampling
Das Zentrum Jüdische Studien lädt dazu ein, aktuellen Fragen der Pandemie historisch und aus einer jüdischen Perspektive nachzugehen. Zum einen wird dabei die Geschichte der Begriffe von Medizin, Krankheit, Vorsorge (Care) und Tod in der jüdischen Tradition sowie die Geschichte jüdischer Ärzte in Europa – mit besonderem Fokus auf Deutschland – beleuchtet. Zum anderen werden aber auch der verbreitete Antisemitismus und die Gewalt thematisiert, die die Entstehung von Seuchen historisch begleiteten.
Die Ringvorlesung ist fachübergreifend, um einen möglichst vielfältigen Blick auf die Thematik zu eröffnen und dadurch neue Fragen und Erkenntnisse für die Gegenwart anzubieten.
„Sag niemals, du gehst den allerletzten Weg…“ Widerstand von Frauen in Berlin gegen den Nationalsozialismus
Ellen Fischer (B.A.)
Genauso wie Frauen eine aktive Täterschaft im Nationalsozialismus für lange Zeit nicht zugetraut wurde, sind auch die Tätigkeiten im Widerstand von Frauen oft als bloße Handlungen von Ehefrauen, Müttern und Töchtern ohne eigene politische Positionierung in die Erinnerungskultur von Widerständigkeit in Deutschland eingegangen. Zum gängigen Stereotyp der passiven Frau, die ihre Umwelt nicht aktiv mitgestaltet, sondern den Blick auf Heim, Mann und Kind gerichtet hat, wurden widerständige Frauen in der Forschung lange nicht berücksichtigt. Dies lag auch an den Verteidigungsstrategien von widerständigen Frauen, die eben dieses stereotype Denkmuster als eigene Entlastung bei Vernehmungen heranzogen. Diese Strategie wurde von Historiker_innen lange nicht verstanden. Continue reading „„Sag niemals, du gehst den allerletzten Weg…“ Widerstand von Frauen in Berlin gegen den Nationalsozialismus“
„Ich hab kein Heimatland!?“ – Jüdische Positionen zu Modernität, Diaspora und Genozid
Alisa Jachnowitsch (M.A.)
Norman Salusa (M.A.)
Wie in dem berühmten jiddischen Tango „Ich hab kein Heimatland“ in bittersüßen Klängen besungen wird, stellt das Judentum bereits seit nunmehr fast 2000 Jahren eine diasporische Bevölkerung dar. Im 20. Jahrhundert gerieten die zerstreuten Judenheiten ins Zentrum der extremen Verwerfungen, die den europäischen Kontinent überzogen. Die jüdischen Lebenswelten umfassten in dieser Zeit ein ebenso breites wie heterogenes Spektrum: Von Kommunisten und Zionisten, Schriftstellern und Diplomaten über Revolutionären und Emigranten bis hin zu Soldaten und Lagerinsassen. War das 20. Jahrhundert ein „jüdisches Jahrhundert“ (Yuri Slezkine) und was kann uns eine jüdische Erfahrung für eine transnationale Geschichtsschreibung und europäische Erinnerungskultur im 21. Jahrhundert vermitteln? Diese und weitere Fragen wird das Seminar anhand der Texte von u.a. Simon Dubnow, Hannah Arendt und Yosef Hayim Yerushalmi zu beantworten suchen.
Forschungskolloquium für BA- und MA-Kandidat*innen
Prof. Dr. Liliana Ruth Feierstein
Das Kolloquium ist offen für alle, die ihre BA- oder MA-Arbeit diskutieren möchten. Die Teilnahme ist nur nach einer verbindlichen Anmeldung bei katrin.schuster@hu-berlin.de möglich.
Christlicher Antisemitismus
Ausgehend von dem jüngst erschienenen Essay der französischen Rabbinerin Delphine Horvilleur „Überlegungen zur Frage des Antisemitismus“ (Carl Hanser Verlag: München 2020) werden wir uns mit verschiedenen Formen des Antisemitismus beschäftigen, wobei ein Schwerpunkt auf dem christlichen Antisemitismus liegen wird. Christlicher Antisemitismus entwickelte sich vor dem Hintergrund des rassistischen Antisemitismus, der seinerseits Elemente des historisch vorgängigen religiösen Antijudaismus inkorporiert und in moderne Kategorisierungen der ‚Rasse’ transformiert. Das Seminar fragt nach diesen Transferprozessen zwischen religiösen und säkularen Denktraditionen, zwischen Prozessen der Säkularisierung und (Re-)Sakralisierung, die im Kontext des rassistischen Antisemitismus und dessen christlich-religiösen Deutungsarten zu verzeichnen sind.
Literatur: Horvilleur, Delphine: Überlegungen zur Frage des Antisemitismus, Hanser: München 2020.
„Eichmann in Jerusalem“ reconsidered: Zur Geschichte, Wirkung und Kontroverse von Hannah Arendts „Bericht von der Banalität des Bösen“
Dr. Lutz Fiedler
Prof. Dr. Michael Wildt
„Eichmann in Jerusalem“ zählt zu Hannah Arendts bekanntesten wie umstrittensten Texten. Bereits unmittelbar nach dessen Erstveröffentlichung in der Zeitschrift The New Yorker (1963) wurde ihr Bericht über den Prozess gegen Adolf Eichmann in Jerusalem 1961 zum Auslöser einer heftig geführten Debatte. Ihre Charakterisierung der Person Eichmanns, das Wort von der „Banalität des Bösen“, vor allem aber ihre Darstellung der Rolle der Judenräte während des Holocaust ernteten scharfen Widerspruch, der sich in Gershom Scholems Diktum, Arendt ermangele es an Ahavat Israel, verdichtete.
Im Seminar wollen wir uns dieser historischen Konstellation aus unterschiedlichen Perspektiven annähern. Zu Beginn werden wir uns Hannah Arendt selbst und ihren ersten Texten zu Nationalsozialismus und Judenvernichtung zuwenden, die sie bereits unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs angefertigt hat. Continue reading „„Eichmann in Jerusalem“ reconsidered: Zur Geschichte, Wirkung und Kontroverse von Hannah Arendts „Bericht von der Banalität des Bösen““